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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 2 U 31/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 522 Abs. 2 |
2. Aus Art. 6 EMRK ergibt sich nicht die unbedingte Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz in jedem Fall; eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn nur über die Zulässigkeit verhandelt wird, die sachlichen Angriffe des Rechtsmittelführers für die Entscheidung ohne Bedeutung sind oder die Angriffe des Berufungsführers angemessen auf der Grundlage des Inhalts der Akten behandelt werden können.
2 U 31/02
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### am 6. Juni 2002 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 4. Februar 2002 verkündete Schlussurteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Entscheidung beruht auf § 522 Abs. 2 ZPO und ergeht nach Anhörung des Beklagten.
Der Senat ist aus den fortgeltenden Gründen der nach Beratung der Sache ergangenen Hinweisverfügung des Vorsitzenden vom 16. Mai 2002 davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung nicht erfordert.
Hieran ändert die Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 4. Juni 2002 nichts. Der Senat sieht keine Veranlassung, sich mit den Ausführungen zur Erfüllung irgend welcher vorgegebenen Quoten für die Zurückweisung von Berufungen nach § 522 Abs. 2 ZPO, die es tatsächlich nicht gibt, auseinander zu setzen. Dass über Berufungen, die inhaltlich den Anforderungen des Zivilprozess- Reformgesetzes Rechnung tragen und Aussicht auf Erfolg haben, mündlich verhandelt wird, bedarf keiner Diskussion. Im vorliegenden Fall ist eine solche Berufung allerdings aufgrund der in der Hinweisverfügung bereits eingehend dargestellten Rechtslage nicht gegeben.
Die Auffassung, § 522 Abs. 2 ZPO n. F. setze voraus, dass die Berufung 'offensichtlich' unbegründet sei und § 522 Abs. 2 ZPO betreffe nicht jede Berufung, die keine Erfolgsaussicht habe, ist verfehlt. Abgesehen von der Frage, welchen Sinn die Durchführung eines Berufungsverfahrens eigentlich haben soll, das nicht einmal nach einer Schlüssigkeitsprüfung Aussicht auf Erfolg hat, hat der Gesetzgeber abweichend von dem ursprüngliches Gesetzesentwurf die Erforderlichkeit einer 'offensichtlichen' Unbegründetheit gerade nicht in das Gesetz übernommen und die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht auf Fälle beschränkt, in denen die fehlende Erfolgsaussicht besonders deutlich ins Auge springt (s. auch Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rn. 36). Das Berufungsgericht hat sich vielmehr in jeder Sache zunächst mit der Frage der Erfolgsaussicht zu beschäftigen und nicht nach Beliebigkeit zu entscheiden, ob es das Rechtsmittel nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist (s. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 522 Rn. 13). Ebenso wie der Berufungsanwalt, der sich mit der Frage befassen muss, ob das von ihm eingelegte und begründete Rechtsmittel den Anforderungen des § 522 ZPO genügt und in zweiter Instanz neu vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel im Rahmen des § 531 Abs. 2 ZPO n. F. überhaupt berücksichtigungsfähig sind, kann das Berufungsgericht nicht über § 522 Abs. 2 ZPO hinweg gehen und bei fehlender Erfolgsaussicht der Berufung gleichwohl nicht nach dieser Vorschrift verfahren.
Die Bestimmung steht vielmehr im engen Zusammenhang mit der dem Gericht obliegenden Zulässigkeitsprüfung, wie sich aus der Regelung im Kontext mit § 522 Abs. 1 ZPO ergibt. Die Hinweise des Beklagten auf Art. 6 EMRK sind deshalb auch nicht geeignet, den Senat ungeachtet der Frage nach den Erfolgsaussichten der Berufung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu zwingen. Auch im Rahmen des Art. 6 EMRK ergibt sich nicht die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, wenn nur über die Zulässigkeit verhandelt wird, die sachlichen Angriffe des Rechtsmittelführers für die Entscheidung ohne Bedeutung sind oder die Angriffe angemessen auf der Grundlage des Inhalts der Akten behandelt werden können (s. Zöller/Gummer, a. a. O., § 522 Rn. 36). Art. 6 EMRK erfordert demgemäß entgegen der Ansicht des Beklagten nicht die Eröffnung der mündlichen Verhandlung in jedem Fall der nicht ganz offensichtlichen Unbegründetheit, sondern lässt vielmehr genug Raum für die Regelung des § 522 Abs. 2 ZPO. Auf eine qualifizierte Form der Aussichtslosigkeit kommt es nicht an.
Diese Ausführungen sind allerdings nicht dahin zu verstehen, dass vorliegend keine offensichtliche Unbegründetheit der Berufung gegeben ist. Das Gegenteil ist der Fall:
Dass dem Beklagten als Geschäftsführer der insolventen ####### das Schreiben der Klägerin zugestellt worden ist, in dem diese auf die Mietzinsrückstände hingewiesen hat, wird vom Beklagten eingeräumt. Das Schreiben ist damit in den Machtbereich des Beklagten gelangt, so dass er von seinem Inhalt Kenntnis erlangen konnte. Mehr brauchte die Klägerin, die von dem Insolvenzverfahren nichts wusste, nicht zu veranlassen. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ursprünglichen Beklagten zu 2 eine Postsperre angeordnet worden ist. Soweit er in zweiter Instanz neu vorträgt, den Brief nicht geöffnet zu haben, ist dies nicht erheblich, weil er jedenfalls zur Kenntnisnahme des Briefinhalts in der Lage war. Es kann deshalb dahinstehen, ob dieser Vortrag im Hinblick auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO überhaupt berücksichtigt werden könnte.
Wie bereits in der Hinweisverfügung ausgeführt ist, ist das Landgericht außerdem nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Briefe an den Kläger persönlich nicht zurückgekommen sind, sondern vielmehr aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung zu dem Schluss gekommen, dass der Beklagte die Schreiben erhalten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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